Beiträge getaggt mit Drone
Highlights 2016: Die besten Alben
Veröffentlicht von unsoundaesthete in Extras am 19. Februar 2017
Jetzt, wo sämtliche Jahresrückblicke längst vergessen und fragwürdige Awards bereits medienwirksam an die üblichen Verdächtigen verteilt worden sind, lasse auch ich mir eine persönliche Abrechnung mit 2K16 nicht nehmen, muss dazu aber leider ein wenig ausholen…
Preview: Final – Black Dollars
Veröffentlicht von unsoundaesthete in Aktuelles am 19. August 2015
Wenn es einen zeitgenössischen Musiker gibt, dem man das Attribut ‚umtriebig‘ aufdrücken möchte, dann ist man bei Justin K. Broadrick aber sowas von an der richtigen Adresse. Der Brite tritt mit derart vielen Projekten musikalisch in Erscheinung, dass man leicht durcheinanderkommen kann im Dickicht stiltechnisch enorm breitgefächerter Veröffentlichungen. Jesu, Godflesh, JK Flesh, Pale Sketcher und White Static Demon laufen bei ihm quasi simultan; darüber hinaus wirkt Broadrick in Supergroups wie Greymachine oder Blood Of Heroes mit und ist auch ziemlich gefragter Remixer in den unterschiedlichsten Genregefilden. Nicht zu vergessen sind natürlich seine ehemaligen Engagements bei Techno Animal, Napalm Death, Fall Of Because u.a. Ein häufig übersehenes Projekt stellt jedoch sein Output unter dem Alias Final dar, dabei ist es doch erstaunlicherweise sein ältestes. Seit 1982 widmet sich Broadrick hierunter allerhand Experimentellem und Minimalistischem, meist im Bereich Drone, Noise und Ambient. Doch trotz eines stolzen Backkatalogs weiß man eigentlich nie so richtig, was man bekommt. Das bestätigt sich wieder mal beim Hören des Snippets zum anstehenden Album »Black Dollars«. Umgarnende Harmonieflächen, barsche Distortion, Chords von der Akustik-Klampfe und irritierende Vocal-Fetzen, als wären diese aus einer fernen Popwelt in den Mix zugeschaltet worden. Im Schnelldurchlauf schon mal durchaus beeindruckend. »Black Dollars« soll im September bei Downwards erscheinen.
Review: Godspeed You! Black Emperor – Asunder, Sweet and Other Distress [2015]
Veröffentlicht von unsoundaesthete in Reviews am 11. April 2015
| Erschienen bei Constellation Records (2015) |
Nur wenige Bands haben es zu einem derart einvernehmlichen Kultstatus gebracht wie Godspeed You! Black Emperor, denen Anerkennung durch Kritiker unterschiedlicher Fasson ebenso zuteilwurde wie Verehrung durch Musikbegeisterte rund um den Globus. Bemerkenswert ist dieser allgemein vorherrschende Respekt angesichts eines Gesamtwerks, das ohne einen einzigen Refrain oder eingesungene Strophe auskommt, eines Ensembles ohne hervorstechende Star-Figur und Stücken mit einer durchschnittlichen Länge von 15 Minuten. Entsprechend ist das Schaffen des Montrealer Projekts aber nur bedingt als musikalisches Fast-Food genießbar und sollte einem nicht unbedeutenden Teil der Musikkonsumenten dank entschiedener Independent-Positionierung inklusive marketingtechnischer Zurückhaltung auch schlichtweg unbekannt geblieben sein.
Ihre Sporen verdienten sich die gegen den Strom schwimmenden Kanadier vor allem zu einer Zeit, als ‚Post-Rock‘ noch eher eine recht unbestimmte Umschreibung für grenzgängerisches Experimentieren, das zwar irgendwas mit Rock zu tun hatte, aber dessen sture Konventionen zu brechen wusste, dargestellt hat – und kein eigenes Quasi-Subgenre, das selbst schon mit einem gewissen Fundus von Regeln und relativ eingegrenzten Vorstellungen daherkommt. Godspeed boten schon in den 90ern im Kern das Meiste dessen auf, was charakteristisch für dieses ‚Etikett‘ werden sollte (und mittlerweile längst auch von einigen zweitklassigen Bands nur semi-originell reproduziert wird), waren aber noch mehr als das. Die Art zu arrangieren war etwas Besonderes, die konkrete Ausformulierung einmalig und ihre atmosphärische Qualität ließ jedes Werk zum reinsten Vorstellungsmonster gerieren. Vor allem zeigte man früh auf, wie man Rock’n’Roll spielen und gleichzeitig außergewöhnliche Tiefe und Emotionalität erreichen konnte. Eigenheiten, durch die sich die Band auch später noch von den Nachzüglern merklich abzuheben wusste.
Wie die vielen anderen Künstler, mit denen man sich im weitesten Sinne eine Sparte teilt, gehen GY!BE auch mit extremen Ausschlägen auf der dynamischen Skala vor – das heißt, von fast stillen Momenten bis hin zu tosenden Crescendos wird das volle Spektrum hoch und runter gespielt. Und daran wird dankenswerterweise nicht gerüttelt. Skizzieren lässt sich dennoch eine klare Entwicklung: Waren die frühen Arbeiten noch fragmentarische, zumeist deprimierende Endzeitcollagen mit Field Recordings und hörspielartigen Sequenzen, so gerieten die jüngeren Werke zunehmend homogener bzw. uniformer, sind auf weniger Elemente reduziert und wesentlich stringenter in ihrer Konstruktion.
Hier knüpft »Asunder, Sweet and Other Distress«, das nunmehr fünfte Album, direkt an. Wer die Band in letzter Zeit verfolgt hat, wird schnell feststellen, dass es sich bei der neuen Scheibe um die Studioversion ihres ca. dreiviertelstündigen Live-Stücks »Behemoth« handelt, das hierzu in vier Tracks untergliedert und unbenannt wurde, aber de facto natürlich genauso ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Track und Album werden bei GY!BE ohnehin wieder mal zu brüchigen Kategorien, die miteinander verschmelzen. Dass die aktuelle Schöpfung im Gegensatz zu allen Vorgängern auf eine einzige CD passt, nährt zusätzlich den Verdacht, die Post-Rock-Überväter möchten ihre musikalischen Visionen inzwischen deutlich kompakter zum Ausdruck bringen.
»Peasantry or ‚Light! Inside of Light!« ist ein Beginn ohne sorgsamen Aufbau und atmosphärisches Klein-klein. Blankes, knochentrockenes Schlagzeugspiel muss als Einleitung herhalten und dann dröhnt es auch schon nach ziemlich schnellen 20 Sekündchen los, lang gefackelt wird hier nicht mehr. Diese schleppende Direktheit klingt überraschend pompös, aber gleichzeitig auch unfreundlich und barsch. Streicher und E-Gitarren variieren im Verlauf wie gewohnt zwischen schroffer Disharmonie und bildstarker Melodiösität. Das Ganze könnte alternativ auch den Titel tragen ‚Streifzug der Nomaden durch die Wüste‘. Nach ‚nur‘ etwas mehr als zehn Minuten geht dieser… man möchte fast sagen… flotte Einstieg in das böse Grummeln von »Lambs’ Breath« über. Diejenigen, welche anfangs noch besser in die Platte reingekommen sind, als sie es von der Band gewohnt sind, werden spätestens hier vermutlich wieder ein wenig zurückschrecken. Minimalistische Drones übernehmen das Kommando – für einige Minuten hört man auch fast ausschließlich einen summenden Ton, der leicht variiert wird.
»Asunder, Sweet« setzt genau dort an und baut das akustische Gerüst wieder von neuem auf. Dieses mit obskuren Effekten und kakophonischen Scherben durchzogene, sich stetig steigernde dritte Viertel zeigt GY!BE erstmals in absoluter Bestform und bereitet den Weg für das Finale. Als solches kommt »Piss Crowns Are Trebled« dann auch durchaus gewaltig und belohnend daher, wenn auch vielleicht nicht ganz so fulminant wie man sich das mit einer immensen Erwartungshaltung ausgemalt hat. Soll heißen: Die Schlagzahl ist wirklich enorm hoch und die ‚Action‘ wird ohne Atempause durchgezogen, der Funke mag dennoch nicht hundertprozentig überspringen.
Ausgezeichnet hat die Formation nämlich schon immer ihre Fähigkeit, große und epische Motive als Höhepunkte zu setzen, ohne dabei in die Klischeefalle zu tappen. Man hat man es schlicht fertiggebracht, selbst in den bombastischsten Momenten nie einem unangenehmen Pathos zu verfallen, aber trotzdem bewegende Akkorde zu fabrizieren. Allerdings begann man mit »‚Allelujah! Don’t Bend Ascend« (2012) offenbar diese Prinzipien vorsichtig zu lockern. Das ist auch gerade beim Schlussakt von »Asunder, Sweet and Other Distress« in einigen Momenten zu merken. Natürlich ist man nach wie vor weit davon entfernt, Zuckerguss nach Aerosmith-Manier zu servieren. Aber in der Ferne, hinter den zerfurchten Schluchten und ausgedörrten Weidehügeln sieht man zumindest schon die ersten langgelockten Hard Rocker und Heavy Metal-Jünger näherkommen.
insgesamt enthält die aktuelle LP vom Prinzip her das Meiste von dem, was die Vorgänger schon aufzubieten hatten. Melodiebögen und Klangfragmente sind ungebrochen souverän miteinander verflochten. Gelegentlich macht sich sogar ein Tick zu viel Routine breit. Aber von Stagnation zu reden, wäre nicht fair, denn man folgt dem Trend der letzten Veröffentlichungen, den Sound nicht etwa auszudünnen, sondern zu komprimieren, also einfach schneller auf den Punkt zu kommen, und sich zudem etwas mehr in Richtung konventioneller Gitarrenmusik zu öffnen, ohne die experimentelle Bastelei zu vernachlässigen. Selbstverständlich benötigt die Musik trotz allem noch viel Platz zur Entfaltung – eingezäunte Reservate sind eben nicht ihre Sache. Mit dem asketischen Mittelteil wird dabei diesmal noch leicht die Struktur variiert. Womöglich ist »Asunder, Sweet and Other Distress« die schwächste Arbeit der Gruppe. Doch das liegt zum großen Teil daran, dass die Vergangenheit von einer Reihe großartiger Werke bestimmt wird und die Kritik folgerichtig in der Abteilung ‚Meckern auf hohem Niveau‘ aufgehoben ist.
Tracklist:
01. Peasantry or ‘Light! Inside of Light!’
02. Lambs’ Breath
03. Asunder, Sweet ✓
04. Piss Crowns Are Trebled ✓
Review: Theologian – Pain of the Saints [2015]
Veröffentlicht von unsoundaesthete in Reviews am 21. März 2015
| Erschienen bei Malignant Records (2015) |
Lee Bartow alias Theologican gehört zu den prägenden und vor allem ziemlich produktiven Kräften im Post-Industrial-Sektor der letzten Jahre. Obwohl die Diskographie seines gegenwärtigen Solo-Projekts 2009 ihren späten Anfang findet – in Nachfolge zu seinem Engagement als Mastermind der kurz zuvor aufgelösten Navicon Torture Technologies – hat der US-Amerikaner seitdem eine beachtliche Anzahl von Veröffentlichungen angehäuft. Mit »Pain of the Saints« legte Bartow nun sogar ein bis zum Bersten vollgepacktes Doppelalbum vor.
Schon der Titel und das stilvoll-blutige Cover-Artwork deuten auf die hier verfolgte ästhetische Zielrichtung hin. Davon abgesehen ist Theologian auch wahrlich kein Künstler, über den man im Formatradio oder in der TV-Werbung stolpern würde, und auf dem nächsten Kirchentag wird man seine Musik sicher nicht antreffen. Nähert man sich dem neuen Werk trotz aller Vorzeichen ganz unbedarft, dürfte man alsbald kalt erwischt werden. Besser gesagt, man hockt sogleich im Vorhof des Verderbens. Wenige Minuten sollten locker für die Feststellung reichen, dass man hier alles andere als leichte Feierabendkost vor sich hat. Der erste und mit über dreizehn Minuten zugleich längste Track »Savages« schickt einen früh in die akustische Unterwelt; gedämpft-verschwommenes Klopfen im Hintergrund, maschinelles Knattern und Schnarren, statisch-stechende Synthtöne, sinistres Rauschen und wiederholte schmerzverzerrte Laute vereinen sich zu einem ziemlich unfreundlichen Empfangskomitee. Wem dieser morbide Kosmos aus Mystik, Noise und Selbstzerfleischung eine (im Wortsinn) Heidenangst einjagt, ist gut beraten, hier den nächsten Ausgang zu nehmen. Für den geneigten Anhänger abgründig-atmosphärischer Musik hingegen gibt es Balsam für die Ohren.
Bartows Arbeit, angesiedelt in relativ wenig definierten Grenzbereichen zwischen Death Industrial, Dark Ambient und ähnlichen Subgenres, ist zum einen sehr facettenreich ausgefallen, aber bisweilen auch beachtlich komplex. Das virtuose ‚Layering‘ der vielen Soundschichten erweist sich als klarer Trumpf, Klangelemente sind spürbar mit viel Bedacht zusammengesetzt. Und auch wenn die insgesamt 20 Tracks stellenweise ohne jeden Zweifel harsch und mit der nötigen Kompromisslosigkeit daherkommen, geht die von Außenstehenden im Industrial so häufig vermisste Musikalität im Grunde doch nie verloren. Dennoch ist »Pain of the Saints«, alleine schon aufgrund der überbordenden Länge von mehr als 2 ½ Stunden, natürlich ein harter Brocken, der es wirklich in sich hat. Aber einer, in den man sich hervorragend versenken kann, dafür bieten sich genug Zwischentöne, Details und Ideen.
Der repetitive Power Electronics-Stampfer »Infection« gehört in dieser Hinsicht jedoch eher zu den weniger interessanteren Beiträgen. Auffälliger, und das nicht nur wegen des bedingt familienfreundlichen Titels, ist da schon »Piss and Jism«. Das setzt auf einen beharrlich grollenden Drone-Teppich und Vocals, die so verzerrt sind, das man beinah nur noch ein zischendes Spektrum wahrnimmt, sowie langgezogene Schreistimmen, die viel mehr organisch in die Textur eingearbeitet werden, anstatt eine gewöhnliche vokale ‚Funktion‘ einzunehmen. Ein grandioser Ausflug in spacige Sphären ist »Gravity« geworden, bei welchem sternschnuppenartige Tonmodulationen und schmetternde Riesenasteroiden-Klänge die Akzente im ruhigen, fast schon meditativen Wabern setzen. »Of Foulness And Faithfulness« sticht heraus, weil seine ratternde Fabrikkulisse ironischerweise so dumpf geraten ist, als wäre das Stück irgendwann in den frühen 80ern produziert worden. Eine in ihrer sturen Konsequenz und dichten Konstruktion geradezu faszinierend eindringliche Lärmwand. »Sainthood Is Suffering« ist deutlich Beat-orientierter als das restliche Material – das Ganze geht schon stärker in Richtung Electro-Industrial oder Rhythmic Noise -, manövriert sich aber im Verlauf in einen immer dichter werdenden Sturm aus gnadenlos übersteuerten Texturen und Melodie-Schemen.
»The Lies Of The Past Become The Prayers Of The Future« eröffnet die zweite Hälfte noch intensiver als »Savages« die erste, obgleich das Stück im direkten Vergleich deutlich kürzer angelegt ist. Die vielleicht plastischste Repräsentation des Albumkonzepts geht im Anschluss mit »Suppuration« vonstatten, da die eigentlich recht feierliche, erbauliche Stimmung hinterrücks mit qualvollen Lauten unterlegt ist und damit gewissermaßen verdeutlicht wird, dass Leid und Schmerz in der Religiosität des Christentums eine elementare Rolle spielen, was man als durchaus fragwürdig empfinden kann – entsprechend lässt sich dieses ‚Licht‘ auf der texturalen (nicht textlichen) Ebene als Scheinheiligkeit interpretieren. Momente wahrhaftiger Schönheit finden sich allerdings auch auf dem Album: Wie das traurige Violinenspiel in »Blessed Pray« die geheimnisumwobenen, schimmernden Flächen umgarnt und so eine magische Atmosphäre erzeugt, kann einem schon mal die Sprache verschlagen… Weniger Harmonien, dafür jedoch akustisches Waterboarding – im positiven Sinn – verspricht »Redemption Is An Impossibility«; ein einziger Spannungsaufbau, der sich steigert und steigert, sogar eine überraschend groovige Distortion-Bassline zulässt, und dann auf dem Fast-Höhepunkt ohne großen Knall wieder auseinanderfällt. »Self-Flagellation As Faith« bringt zum Schluss mit ritualistischem Getrommel und Frauengesang noch einmal andere Nuancen hinein und außerdem die Kasteiungen vom Anfang des Albums zurück.
Bleibt abschließend festzuhalten: »Pain of the Saints« ist in seiner ausufernden Ganzheit definitiv eine Herausforderung, die sich bei gründlicher Auseinandersetzung aber umso mehr bezahlt macht. Mag die zugrundeliegende Katholizismuskritik, welche Doppelmoral und Sadismus anprangert, manch einem vielleicht zu offensichtlich sein und nicht mehr ganz taufrisch erscheinen, sollte man sich trotzdem nicht abschrecken lassen. Denn Theologian hat ein Werk hingelegt, das durch stilistisches Abwechslungsreichtum, cleveres Verwischen von Subgenre-Codes und handwerkliche Sorgfalt über die volle Laufzeit überzeugen kann.
Tracklist:
1 – 01. Savages ✓
1 – 02. Infection
1 – 03. Serpentine Angels
1 – 04. Piss And Jism ✓
1 – 05. Gravity ✓
1 – 06. Without Trust, Your Love Is Meaningless
1 – 07. Of Foulness And Faithfulness
1 – 08. Iron Pierces Flesh And Bone Alike
1 – 09. You Are The End Of The World ✓
1 – 10. Sainthood Is Suffering ✓
———
2 – 01. The Lies Of The Past Become The Prayers Of The Future
2 – 02. Suppuration
2 – 03. Witchfinder ✓
2 – 04. Their Gelded And Rapacious Hearts
2 – 05. Deprivation
2 – 06. Blessed Prey ✓
2 – 07. With Eternal Derision
2 – 08. Redemption Is An Impossibility ✓
2 – 09. It Was You Who Taught Me Indifference
2 – 10. Self-Flagellation As Faith
Preview: Godspeed You! Black Emperor – Asunder, Sweet And Other Distress
Veröffentlicht von unsoundaesthete in Aktuelles am 25. Februar 2015
Eine bestimmte Musikgruppe als die ‚größte‘ Band der Welt zu bezeichnen, hat schon immer mindestens etwas Gewagtes, wenn nicht schon Albernes, peinlich Anmaßendes gehabt. Nicht mal die Rolling Stones oder Beatles durften solche Titulierungen tragen, ohne sich dafür schämen zu müssen. Manchmal weist diese ‚Adelung‘ eher auf den Status als konsenstauglichste Stadionkapelle hin, was dann auch erklärt wieso Guns N‘ Roses oder Linkin Park solch zweifelhafte Ehre zuteil wurde.
Die Kanadier von Godspeed You! Black Emperor hingegen gehören zu den wenigen Bands, bei der entsprechende Zuschreibungen nicht so übertrieben fehlplatziert erscheinen, wie sie es für gewöhnlich tun. Das Esemble mit dem wandernden Ausrufezeichen im Bandnamen gibt sich auch redlich Mühe, ihre Brötchen in Extra Large zu backen. Episch anmutende, wenn auch teils humorvoll gebrochene, Titel und überlange Kompositionen, die im dynamischem Wechselspiel von ruhigen Athmosphärenpassagen, unheilvollen Drones, strahlenden Streicherarrangements und krachendem Instrumentalrock postapokalyptische Landstriche in monumentaler Breite erkunden. Offenkundige Großspurigkeit, die aber nie bloße Behauptung blieb, sondern stets mit grandiosen Werken eingelöst wurde.
Jetzt haben GY!BE ihren neuen Longplayer angekündigt: Nennt sich »Asunder, Sweet And Other Distress« und erscheint schon am 31. März – natürlich wieder bei Constellation Records, dem hauseigenen Label des Montrealer Dunstkreises. Vier Tracks wird die LP enthalten, von der nun auch schon ein rund achtminütiger Ausschnitt verfügbar ist. Definitiv nicht von schlechten Eltern! Wer sich vom Tamtam im kontextlosen Snippet aber noch nicht zu Begeisterungsstürmen hingerissen fühlt, wartet lieber noch gut einen Monat und lässt dann das Gesamtwerk auf sich wirken – schließlich hat die Truppe bislang noch nie etwas Enttäuschendes abgeliefert!
Highlights 2014: Top-Alben
Veröffentlicht von unsoundaesthete in Extras am 25. Januar 2015
Ganz ehrlich: Niemand mag frühe Jahresrückblicke, die einem schon Anfang Dezember allerorts aufgedrängt werden. Deswegen… na gut, auch wegen anderer Gründe, kommt mein Highlight-Ranking für 2014 auch später als alle anderen! Wie schon im letzten Jahr gilt natürlich auch diesmal das Credo: Vollständige oder objektive Bestenlisten gibt es nicht, sie bleiben stets Ausschnitte ohne Universalitätscharakter – eine persönliche Selektion nach individuellen Kriterien. Und trotzdem fiel es mir diesmal sogar schwer, eine für die eigenen Maßstäbe zufriedenstellende Rangliste zu kreieren.
2014 erschien mir in musikalischer Hinsicht nämlich in der Spitze sehr dicht gestaffelt, nur wenig hat sich daher wirklich für eine ‚Ehrung‘ aufgedrängt. Zwar gab es durchaus viele gute und sehr gute Alben, jedoch kaum besonders hervorstechende, brillante, mitreißende Werke, die meine subjektiven Knöpfchen zu drücken wussten. Oder lag es vielleicht an enttäuschten Erwartungen? Manche mit Vorfreude erwartete Alben gestandener Künstler konnten ihre Vorschusslorbeeren letztlich nicht ganz einlösen.
Beherrscht wurde das Jahr indes vor allem von Ambient- und Drone-Klängen, ätherisch-umwasserten Rock-/Pop-Formationen sowie ‚Hauntologen‘-Techno – es ist, als lege sich ein nebulöser Schleier um den Musikbetrieb unserer Zeit –, wohingegen viele bekannte Post-Rock-Bands solide Alben ohne größere Neuerungen nachlegten. Das Ranking haben diese Trends aber nicht unbedingt dominiert. Alles in allem war es ein knappes Rennen an der Spitze, mit vielen Anwärtern auf einen Startplatz, aber keinen echten Titelfavoriten. Nur eines kann ich vorab versprechen, Coldplay oder Kraftclub sind garantiert nicht darunter!