Beiträge getaggt mit Future-Jazz

Highlights 2017: Die besten EPs

Manch einer ist ja der Überzeugung, dass die herkömmlichen Veröffentlichungsformate der Musiklabels mit der Digitalisierung obsolet geworden seien, wo doch jeder User sich längst auf Internetportalen bequem seine eigenen Playlisten zusammenklicken könne. Nun, ich bin da wenig überraschend etwas anderer Meinung, obwohl ich die neuen Möglichkeiten, die das Netz geschaffen hat, natürlich keineswegs in Abrede stelle – was als Blogger auch reichlich absurd wäre – und Playlisten können in der Tat eine feine Sache sein. Selbstredend stellen sich eine Menge spannender Fragen, etwa inwiefern sich das veränderte Konsumverhalten längerfristig auf die Strategien der Major-Plattenfirmen oder auf den Output von unabhängigen Künstlern auswirken wird… aber eine gründliche Auseinandersetzung muss an dieser Stelle erst einmal vertagt werden.

Beobachten lässt sich jedenfalls, dass der zeitliche Umfang der herausgebrachten Werke stärker variiert als noch früher. 30 Minuten oder 3 Stunden Laufzeit – egal, denn im digitalen Kontext bedeutet Überlänge keinen nennenswerten Mehraufwand. Einhergehend mit der aktuellen Koexistenz verschiedenster Formattypen und Absatzwege (CD, Vinyl, Stream/Download, Kassette, USB Drive,…) lösen sich die sowieso nie eindeutig gewesenen Unterschiede zwischen EP und Album zusehends auf. Vielleicht braucht es diese getrennten Kategorien in Zukunft gar nicht mehr. Mittellange Veröffentlichungen werden damit logischerweise nicht verschwinden, momentan ist sogar eher das Gegenteil der Fall. 2017 hatte einige starke Vertreter dieser Sorte zu bieten.

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Highlights 2016: Die besten Alben

Jetzt, wo sämtliche Jahresrückblicke längst vergessen und fragwürdige Awards bereits medienwirksam an die üblichen Verdächtigen verteilt worden sind, lasse auch ich mir eine persönliche Abrechnung mit 2K16 nicht nehmen, muss dazu aber leider ein wenig ausholen…

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Highlights 2015: Die besten Alben

Und schon wieder eine Bestenliste! Überall tauchen sie auf, besonders am Jahresende, von den kleinsten Blogs bis zu den reichweitenstärksten Magazinen, alle bombardieren sie die Welt mit ihren inflationären Rankings. Da reiht man sich doch nur zu gerne ein, jedoch durfte die folgende, durchaus wohl überlegte Auswahl immerhin mehr als einen Monat lang heranreifen, um sich nun drastisch verspätet, aber …nennen wir es mal…  einigermaßen vollendet zu präsentieren, sofern dies überhaupt möglich ist.

Beim Verfassen dieser Zeilen stellt sich ein gewisser Déjà-vu-Effekt ein, deswegen sei auf die Einleitung des letzten Jahres verwiesen und an dieser Stelle nur kurz angemerkt, dass es bei der schieren Menge an veröffentlichter Musik einfach unmöglich ist, ihr in irgendeiner Weise gerecht zu werden. Denjenigen, die das hier lesen, wurde die Qual der Wahl damit hoffentlich ein wenig aus der Hand genommen. Vielleicht sagt die Selektion der Titel aber auch mehr über die Person aus, die sie vorgenommen hat, als über das Musikjahr 2015 – wer weiß das schon?

Fest steht hingegen – um ein bisschen Pathos in die Sache zu bringen –, dass Musik eines der wenigen Bollwerke gegen die Unannehmlichkeiten der Existenz darstellt und gleichzeitig, sofern sie mehr als bloße Ablenkung sein möchte, trotzdem in jene Realität eingebunden, also nicht vom Leben abgekoppelt ist. Das einleitende Geschwafel beschließe ich also in der Überzeugung, dass die unten gelisteten Alben dies gerade bewerkstelligen, indem sie der faden Mittelmäßigkeit und Austauschbarkeit entsagen und zum Kern der Dinge hervordringen.

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Review: Squarepusher – Damogen Furies

Squarepusher - Damogen Furies (Cover)| Erschienen bei Warp Records (2015) / Cover photography by Timothy Saccenti |

Tom Jenkinson ist kein Freund von Kategorisierungen. Dies pflegt er in Interviews gern und oft zu betonen. Vielleicht gilt der Brite hinter dem Squarepusher-Alias ja gerade deswegen bei vielen Journalisten als ernster, etwas grummeliger und eigenbrötlerischer Zeitgenosse, der die obligatorischen Pressetermine eben nicht zu oberflächlichen Feel-Good-Veranstaltungen verkommen lassen will. Eine nonkonforme Haltung, die sich auch in der vielfältigen, durchaus von Humor zeugenden, Diskographie wiedererkennen lässt und den Fachmedien regelmäßig Mühen bereitet. Kaum haben Kritiker nämlich eine Schublade (Drill & Bass, Jazz Fusion Breakbeat etc.) ausgesonnen, markiert Jenkinson den Spielverderber und ändert mit dem nächsten Release die Kursrichtung. Mit Warp Records, einer Institution, die sich bestens mit unangepassten Typen (Oneothrix Point Never, Flying Lotus, Aphex Twin,…) auskennt, hat der Klötzchenschieber einen Heimathafen gefunden, der ihm seit den späten 90ern praktisch freie Handhabe beim Nachgehen manischer Alleingänge gewährt, was dann idealerweise Meisterwerke wie »Hard Normal Daddy« oder »Ultravisitor« nach sich zieht. Eine Arbeitsbasis, die auch für die Entstehung des 2015er Outputs eine überaus zentrale Rolle gespielt haben muss.

Die Verwirrung beginnt diesmal bereits beim Inspizieren der CD-Verpackung, denn das Frontcover mit Jenkinsons digitalverzerrtem Konterfei verrät mir nicht auf Anhieb, wo hier eigentlich oben und unten sein sollen. Auch die beim Aufklappen der Kartonhülle sichtbaren Hilfspfeile vermögen derartige Orientierungsprobleme nicht wirklich zu beseitigen, führen aber immerhin schrittweise zum schwarzbedruckten Datenträger, der sich optisch kaum von seiner Peripherie abhebt. Das Design stellt ein getreue Spiegelung des verdrehten Bastards dar, als der sich dieses »Damogen Furies« erweisen sollte, jedoch täuscht das extrem minimalistische Schwarz-Weiß wiederum ob der wilden Auswüchse und akustischen Farbspielereien, die sich in der ‚Blackbox‘ verbergen.

Opener »Stor Eiglass« prescht mit deftigen Schlägen vor, die die Wände zum Wackeln bringen, etabliert aber bald darauf quietschige, durchaus zum Mitsummen geeignete Melodien aus dem Rechner – Kontraste, die schon der direkte Vorgänger »Ufabulum« aufzuweisen wusste. Im Laufe des Viereinhalbminüters werden die synthetischen Rhythmen zu einem zunehmend diffizilen Datengeflecht zurechtgezwirbelt. Bis hierhin verläuft trotzdem noch alles in vergleichsweise geregelten, weitgehend nachvollziehbaren Bahnen und wenn man dabei leichten Plastikgeruch vernehmen sollte, dann liegt das womöglich daran, dass Mr. Unbequem seinen Einstiegstrack als „Trojan Horse“ für jungfräuliche Gehörgänge ausgetüftelt hat. Richtig los geht es dann erst mit »Baltang Ort«, das mit seiner Verquickung von prachtvollen Flächen und unwirschen Beatfraktalen eine ähnlich tragende Rolle einnimmt wie seinerzeit ‘Pusher-Klassiker »Tundra« auf dem Debütalbum »Feed Me Weird Things« (1996). Nur gerät es vom Ausdruck her weitaus artifizieller und gröber als der ziemlich feingliedrige Jungle-Parcours aus alten Tagen, denn letzterer wird hier durch extragrantige Acid-Einspritzungen und kalte Computerdrums ersetzt. Puh, was ein erhebender Stress das doch ist! Aber wo bleibt der Mindfuck!?

Ein Blick ins Booklet mit einem erklärenden Statement des Künstlers verrät schon mal die Besonderheit der Machart: Alle zu hörenden Sounds entstammen eigenprogrammierter Software, die Jenkinson über viele Jahre hinweg entwickelt hat. Außerdem wurden sämtliche Tracks in einem zusammenhängenden Take ohne nachträgliche Bearbeitung aufgenommen. Irgendwie fast schon kämpferisch klingt dabei seine Proklamation des Wegs des größtmöglichen Widerstandes wie auch das Anliegen, sich von Konsumzwängen freizumachen. Ist Squarepusher damit Gegner einer Kulturindustrie, dessen Teil er unweigerlich selber darstellt? In gewisser Weise ja, doch hierbei geht es ihm merklich weniger um das altbekannte Argument gegen die kommerzielle Verwertung von Musikwerken, als – viel basaler – um die Mittel, die ihrer Entstehung vorausgehen: Instrumente, Hard- und Software. Geräte und Klangerzeuger von der Stange schränken die kreativen Möglichkeiten ein, determinieren zu einem gewissen Grad ihre Nutzungsweisen, so der Gedanke. Sein entschiedener DIY-Approach ist aber auch ein klares Zeichen gegen die Preset- und Readymade-Mentalität des sogenannten ‚EDM‘-Mainstreams der letzten Jahre, dessen Baukasten-Produktionen mit der progressiven, tüftlerischen Essenz der elektronischen Musik denkbar wenig zu tun hätten.

Hektisch, laut und eigenwillig ist »Damogen Furies« ohne Zweifel über weite Strecken, wie auch schon viele Squarepusher-Platten zuvor, doch die Direktheit, mit der die meisten aktuellen Kreationen ins Gesicht ballern, liefert dann doch ein paar Argumente dafür, sein Treiben tatsächlich als eine schräge Art von individualistischer Protestmusik zu begreifen. Nicht in plumpen Parolen, jedoch in eisigen Glitches, Strobo-Breaks und kakophonen Eruptionen findet diese ihren Ausdruck. »Rayc Fire 2«, schrill und kompromisslos, als Single vorab zu vermarkten, bleibt da nur ein kleines Kuriosum mit Randnotizcharakter, schließlich dürfte sich der Kreis derjenigen, die sich von dem tollen Digitalkrach mit Breakcore-Anleihen zum Albumkauf verleiten lassen auf eine relativ überschaubare Anzahl von Musiknerds begrenzen. Das fantastisch rabiate »Kwang Bass« lärmt dunkel und metallisch, beinahe schon mit futuristischem Industrial-Touch; »Exjag Nives« hingegen steigert sich in ein wüstes, ultraverknotetes Drum & Bass-Gefrickel hinein – bekanntermaßen ja ein Feld, auf dem ihm sowieso nur wenige die Stirn bieten können.

Genauso wie die gerade umher geworfenen Genrebegriffe stets nur das Dilemma aufzeigen, dass bei der Beschreibung der Kompositionen entsteht, bleibt die härtere Gangart auch nie bloßes Muskelspiel, sondern hat häufig einen verspielten Charakter. Das expressive Chaos scheint gerade mit dem Bezug zu stereotypen Mustern Sinn zu erhalten. Man nehme etwa »Kontenjaz«, das in seinem Mittelteil kurzzeitig mit gleichmäßigem 4/4-Takt inklusive übertrieben ‚catchy‘ Harmonien überrascht. Doch gerade wenn man denkt, Jenkinson schalte endgültig in den Party-DJ-Modus, treffen einen wieder krachende Beats, die zeigen, was Sache ist. Rein klangästhetisch hat das hier Gebotene ungeahnte Überschneidungen mit den Neonkirmesbespaßern aus dem gegnerischen Lager, doch umso gnadenloser zerschreddert er deren Motive, zerstört bekannte Strukturen, um sie in unorthodoxer Manier neu zu überschreiben. Aus streng reglementiertem Exzess wird ein sich frei entfaltendes Formgemenge. Eine geistige Verwandtschaft zum Free Jazz ist auch diesmal nicht zu verleugnen, die gelungenen melodischen Passagen (»D Frozent Aac«, »Exjag Nives«) hingegen sorgen für das kompositorische Gegengewicht. Der gespaltene Wesenszug ist es, der diese LP trotz aller idiosynkratrischen Ausraster auf gewisse Weise recht zugänglich macht.

Dahinter kann man Kalkül vermuten, tatsächlich lässt sich solch Herangehensweise aber wohl passender mit dem Faktor Eigensinn erklären. „Der Weg ist das Ziel“ galt schon immer für Jenkinsons Ethos, es geht um Risikofreude und das Vermeiden von Routine um jeden Preis. Bloß nicht eine von diesen greisen Rock-Mumien werden, die ihre schalen Hymnen in gefühlter Endlosschleife durch die Stadien krakeelen, ehe man ihnen (zur Bestrafung?) am Schluss noch ein Musical widmet, in der Hoffnung sie würden zum Wohle der Menschheit endlich in Rente gehen. Natürlich bleibt es fraglich, ob die hier bewusst forcierten Unterschiede im Produktionsprozess für den Hörer am Ende überhaupt noch in gleicher Weise greifbar sind wie für den Komponisten. Squarepushers Ansatz ist weniger der ‚Klangforschung‘ verpflichtet als – wenn man es hart ausdrücken möchte – seinem Künstlerego. Alles in allem ist »Damogen Furies« gewiss nicht ‚groundbreaking‘, in der falschen Gemütslage sogar ein anstrengendes Unterfangen, da es konstant auf maximaler Drehzahl powert. Und dennoch stellt es den gelungenen Beweis dar, dass dieser unkonventionelle Musiker auch nach 20 Jahren im Business immer noch sich selbst und das Publikum herauszufordern weiß und unter dieser Prämisse im Stande ist, wahrhaft Spannendes zu fabrizieren.

Tracklist:
01. Stor Eiglass
02. Baltang Ort  
03. Rayc Fire 2  
04. Kontenjaz
05. Exjag Nives  
06. Baltang Arg
07. Kwang Bass  
08. D Frozent Aac  

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