Beiträge getaggt mit The Future Sound of London

Highlights 2014: 25 herausragende Musikstücke

Was hatte 2014 musikalisch zu bieten? Um diese Frage ging es hier vor kurzem ja schon bei der Suche nach den Album-Highlights des abgelaufenen Jahres – eine äußerst knifflige Angelegenheit –, doch keine Jahresbilanz ist eben vollständig ohne eine Auswahl der herausragenden Songs/Musikstücke. Aber auch die ist nicht leicht getroffen, denn so eine Liste füllt sich viel zu schnell und es ist schade um jeden hörenswerten Titel, der herausgestrichen werden muss…

Teile der Musikpresse hatten indes berechtigten Grund dazu, in 2014 das Jahr des Körpers zu erkennen: allen voran im Gesamtkunstwerk von Kritikerliebling FKA Twigs, die R’n’B beim Feuilleton wieder salonfähig machte, während irritierende, zerfließende Körperinszenierungen bei Arca eher sinnbildlich für sich auflösende Grenzen der Geschlechtsidentität stehen. Pharmakon hingegen geht es um den leibhaftigen, fleischlichen Körper als Gegensatz zum Geist. Perc und Lawrence English andererseits verstehen ihre stark auf das Physische abzielende Musik als politischen Wachmacher für die Gesellschaft. Das Somatische spielt sicherlich auch bei Künstlern wie z.B. Ben Frost, Vessel oder – wer hätte das gedacht? – The Body eine Rolle.

Davon mal abgesehen, ist die Musikwelt aber natürlich viel zu divers, um sie auf einen Trend herunterzubrechen… was auch nicht Ziel dieser Auswahl gewesen ist – die Vielfalt soll sich gefälligst widerspiegeln. Die Rankings nehmen dafür eine andere zentrale Rolle für den Blog ein, denn sie repräsentieren das hier vorherrschende Musikverständnis auf essenzieller Ebene. In erster Linie ist die Zusammenstellung aber natürlich als – hoffentlich unterhaltsam gestaltete – Anregung zum Hören und Entdecken gedacht. Viel Spaß!

PS: Wer die eingebetteten Soundcloud- oder Bandcamp-Player nicht abspielen können sollte, findet in den jeweiligen Tracktiteln der Überschriften einen Direktlink zur Alternativquelle (Vimeo, YouTube), bei der man sich den entsprechenden Song anhören kann.

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Highlights 2014: Top-Alben

Ganz ehrlich: Niemand mag frühe Jahresrückblicke, die einem schon Anfang Dezember allerorts aufgedrängt werden. Deswegen… na gut, auch wegen anderer Gründe, kommt mein Highlight-Ranking für 2014 auch später als alle anderen! Wie schon im letzten Jahr gilt natürlich auch diesmal das Credo: Vollständige oder objektive Bestenlisten gibt es nicht, sie bleiben stets Ausschnitte ohne Universalitätscharakter – eine persönliche Selektion nach individuellen Kriterien. Und trotzdem fiel es mir diesmal sogar schwer, eine für die eigenen Maßstäbe zufriedenstellende Rangliste zu kreieren.

2014 erschien mir in musikalischer Hinsicht nämlich in der Spitze sehr dicht gestaffelt, nur wenig hat sich daher wirklich für eine ‚Ehrung‘ aufgedrängt. Zwar gab es durchaus viele gute und sehr gute Alben, jedoch kaum besonders hervorstechende, brillante, mitreißende Werke, die meine subjektiven Knöpfchen zu drücken wussten. Oder lag es vielleicht an enttäuschten Erwartungen? Manche mit Vorfreude erwartete Alben gestandener Künstler konnten ihre Vorschusslorbeeren letztlich nicht ganz einlösen.

Beherrscht wurde das Jahr indes vor allem von Ambient- und Drone-Klängen, ätherisch-umwasserten Rock-/Pop-Formationen sowie ‚Hauntologen‘-Techno – es ist, als lege sich ein nebulöser Schleier um den Musikbetrieb unserer Zeit –, wohingegen viele bekannte Post-Rock-Bands solide Alben ohne größere Neuerungen nachlegten. Das Ranking haben diese Trends aber nicht unbedingt dominiert. Alles in allem war es ein knappes Rennen an der Spitze, mit vielen Anwärtern auf einen Startplatz, aber keinen echten Titelfavoriten. Nur eines kann ich vorab versprechen, Coldplay oder Kraftclub sind garantiert nicht darunter!

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Review: The Future Sound Of London – Environment Five [2014]

FSOL-envi-5s| Erschienen bei fsoldigital (2014) |

Es hat schon eine gewisse Ironie. Da bringen Londons selbsternannte Vorwärtsdenker in den 90ern den Sound ihrer Ära gleich um mehrere Evolutionsstufen voran, releasen mit »Lifeforms«, »ISDN« und »Dead Cities« drei legendäre, zukunftsweisende Alben sowie mit »Papua New Guinea« einen der Übertracks der Dekade – ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der modernen Elektronischen Musik bzw. Musik im Allgemeinen kann man gar nicht hoch genug einschätzen -, nur um dann vor der anstehenden Jahrhundertwende mit ihrem ambitionierten Projekt weitgehend von der Bildfläche zu verschwinden. Jahre später, und größtenteils in Vergessenheit geraten, veröffentlicht das Duo um Brian Douglas und Gary Cobain wieder, zunächst allerdings hauptsächlich Archivmaterial, Best-Of-Compilations und Reissues. Kein Wunder also, dass eine breitere Öffentlichkeit nicht mitbekommt, dass mit „Environment Five« erstmals seit mehr als fünfzehn Jahren wieder ein ‚richtiges‘ Album von The Future Sound of London mit brandneuen Stücken erschienen ist – die vier Vorgänger der Serie bestanden überwiegend aus unveröffentlichtem Altmaterial. »Image to the Past« nennt sich bezeichnenderweise eines dieser neuen Stücke. Haben die einstigen Innovatoren ihren Avantgarde-Anspruch inzwischen ad acta gelegt?

Warum sollten wir zurückblicken, wenn wir die geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufbrechen wollen? Zeit und Raum sind gestern gestorben“, heißt es in Marinettis Manifest der Futuristen von 1909. Es ist zwar nicht anzunehmen, dass die eher entschleunigend vorgehenden Traditionsbrecher von FSOL mit dem radikalen Gedankengut dieser testosterongesteuerten Bewegung viel gemein haben, dennoch beschreibt jenes Credo den musikalischen Ansatz der IDM-Pioniere recht treffend. Tun sich denn auch beim aktuellen Werk einige Schnittmengen auf? „»Environment Five« explores the space / time / dimension that exists when we die”, erklärt der Pressetext. Eine etwas andere, eher metaphysische Überwindung des Raum-Zeit-Kontinuums also. Das passt absolut ins Bild: FSOL waren eben niemals kühle Technokraten, sondern stehen seit jeher unter Verdacht mit ihrer Musik physikalische Grenzen zu transzendieren, wenn man es so blumig ausdrücken will. »Environment Five« begibt sich dazu erklärtermaßen in einen Bereich, der bei Boards Of Canadas fantastischem »Tomorrow‘s Harvest« mit Ausnahme einiger Songtitel nur relativ vague angedeutet wurde, wählt aber einen weniger nostalgischen Modus als die Schotten.

Was jedoch nicht bedeutet, dass Cobain und Douglas ihre grundsätzliche Ausrichtung über Bord geworfen hätten. Nach wenigen Augenblicken ist unmissverständlich klar, dass The Future Sound Of London hier am Werk gewesen sind. In der Tat haben sich die Haupt-Zutaten kaum geändert: wieder mal treffen synthetische Sounds auf organische Klänge, vermählen sich Klassik-Elemente mit ausgeprägtem Experimentierwillen, psychedelischen Qualitäten und stimmungsvoller Exotik. Diesmal beginnt es schon mit einem Ende: »Point of Departure« markiert den Übergang ins Jenseits, der in der Folge durchexerziert wird. Für ein Konzeptalbum, das den Sterbeprozess behandelt, ist »Environment Five« anders als etwa die hörspielartigen Horrorcollagen von The Haxan Cloak aber gar nicht unbedingt trostlos ausgefallen. Vielmehr entwirft es eine differenzierte Vorstellung unterschiedlicher Stadien, die man im Tod durchläuft. Das liegt vor allem am Abwechslungsreichtum der Tracks, bei denen unterschiedlichste Nuancen immer wieder für komplexes, ambivalentes Kopfkino sorgen. Die Bandbreite der eingesetzten musikalischen Mittel ist außergewöhnlich, gerade die experimentelleren Elemente lassen sich dabei nur schwer in Worte fassen. Wie gewohnt fließen die Stücke natürlich mit raffinierten Übergängen ineinander.

Im ruhigen »Source of Uncertainty« glaubt man zu Beginn Kirchenglocken wahrzunehmen, leise aus der Distanz und unter einem Klangteppich liegend, während das Stück kurze Zeit später mit melancholischen Klavierakkorden besticht, ehe im letzten Drittel noch undefinierbare Quietschgeräusche hinzukommen. Beim vorhin angesprochenen »Image of the Past« fällt in erster Linie die markante, ziemlich relaxte, 3-Ton-Basslinie auf. »In Solitude We Are Least Alone« dagegen fährt einiges auf: Impulsive Streicher und chaotische Saxophon-Melodien transportieren ein gleichzeitiges Gefühl der Geborgenheit und ungeduldigen Aufregung, als könne man sich angesichts des Todes glücklich und frei fühlen, nachher wirbeln Synthies umher, die dann von angenehm zischenden Beats abgelöst werden; am Ende hört man nur noch ein Windspiel leise klimpern, bevor schlussendlich sogar noch ein Flugzeug durch die Szene rauscht.

Etwas unheimlich zumute wird einem dann trotzdem bei »Beings of Light« und »Viewed from Below the Surface«, und das auch nicht nur aufgrund der wabernden Subbässe. Beim Erstgenannten trifft man neben den wortlos gesungenen, weiblichen Choralstimmen, die man aus älteren FSOL-Releases kennt, auch noch auf kaum wahrnehmbare, gespenstische Laute im Hintergrund. Den emotionalen Höhepunkt erreicht das Album schließlich in der zweiten Hälfte mit »Dying While Being Held« dank der mitreißenden melodischen Fülle, welche zum richtigen Zeitpunkt noch mit einem scheppernden Drum-Pattern veredelt wird. »Machines of the Subconscious« ist klassischer, schön atmosphärisch und zurückgelehnt daherkommender Clicks & Cuts-Pluckertechno. Die druckvollen Breakbeats im lebhaften »Somatosensory« wecken Erinnerungen an »Dead Cities«, nur eben ohne den dystopischen Anteil von damals. Beim tollen Schlusstrack »Moments of Isolation« möchte man fast irgendwelche zeitgenössischen Genrebegriffe zur Beschreibung anführen, ehe einem wieder bewusst wird, dass Cobain und Douglas in den 90er Jahren nicht nur Weltbewegendes für die Evolution von Ambient, Trip Hop, Techno, Big Beat etc. geleistet haben, sondern auch abstrakte Ur-Entwürfe von Garage und Dubstep zelebrierten, lange bevor überhaupt jemand diese Wörter in den Mund nahm…

»Environment Five« kommt zwar nicht ganz an die visionäre Kraft und den Wiedererkennungswert der älteren Alben heran, erweist sich dafür aber als das möglicherweise subtilste, geschliffenste Werk der Briten, das zudem wärmer und melodischer als ihre frühen Meilensteine ausgefallen ist. Es mag sein, dass man im Hause FSOL keine Zukunftsmusik mehr macht. Vielleicht ist man ja einfach dazu übergegangen, im wahrsten Sinne zeitlose Kunst zu schaffen. In einem solchen Fall wäre ein Kurswechsel mehr als verschmerzbar.

Tracklist:
01. Point of Departure
02. Source of Uncertainty
03. Image of the Past
04. Beings of Light
05. In Solitude We Are Least Alone
06. Viewed From Below The Surface
07. Multiples
08. Dying While Being Held
09. Machines of the Subconscious
10. Dark and Lonely Waters
11. Somatosensory
12. The Dust Settles
13. Moments of Isolation

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